Beschluss vom 30.10.2024 -
BVerwG 1 WB 27.24ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB27.24.0
Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe nach Funktionsebenen
Leitsatz:
Für die Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene kommt es gemäß § 3 Abs. 2 SLV nur darauf an, ob der Soldat die Funktionsebene erreicht hat. Dies ist der Fall, wenn er in beurteilungsrelevantem Umfang Leitungsfunktionen faktisch wahrgenommen hat.
-
Rechtsquellen
GG Art. 33 Abs. 2 SG § 27a SLV § 3 Abs. 2 AR A-1340/50 Nr. 401 und Anlage 15.1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.10.2024 - 1 WB 27.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB27.24.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 27.24
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Nahler und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Falkenthal
am 30. Oktober 2024 beschlossen:
- Die zum Stichtag 31. Juli 2021 für den Antragsteller erstellte Beurteilung, der Bescheid des Amtschef ... vom 28. Juli 2022, der Bescheid des Inspekteurs ... vom 30. Januar 2023, der Bescheid des Inspekteurs ... vom 1. Februar 2023 und der Bescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 15. März 2024 werden aufgehoben.
- Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, eine Neuerstellung der Beurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Juli 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu veranlassen.
- Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der ihm in den vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen seine planmäßige Beurteilung zum Stichtag 31. Juli 2021.
2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September ... enden. Im Oktober ... wurde er zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 1. September ... in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen.
3 Im Oktober 2014 wurde er zur Dienststelle Dienstältester Deutscher Offizier/Deutscher Anteil ... in ... (DDO/DtA ...) versetzt, wo er bis Oktober 2023 auf unterschiedlichen Dienstposten verwendet wurde. Nach einer Organisationsänderung hatte er ab dem 1. Oktober 2019 den mit A 13/A 14 bewerteten Dienstposten des "Branch Head Public Affairs Office (PAO) – Media Simulation" inne. Mit diesem ist der Wahrnehmungsdienstposten des "Public Affairs Advisor" (Pressestabsoffizier) verbunden. Während der primäre Dienstposten mit Leitungsfunktionen verbunden ist, ist dies beim Wahrnehmungsdienstposten nicht der Fall.
4 Am 29. Juli 2021 wurde für die Tätigkeit des Antragstellers als "Public Affairs Advisor" im Zeitraum 1. Februar 2019 bis 31. Mai 2021 ein "International Evaluation Report" erstellt.
5 Für den Zeitraum 10. Juli 2019 bis 31. Juli 2021 erstellte der Erstbeurteiler Oberst i.G. A ein erstes Mal unter dem 26. November 2021 seinen Anteil. Auf die Beschwerde des Antragstellers hiergegen hob der Amtschef ... mit Bescheid vom 16. März 2022 den Anteil Erstbeurteiler auf und ordnete eine Neuerstellung an. Da dem Antragsteller mehr als vier Wochen lang Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstellt gewesen seien, hätte sein Führungsverhalten bewertet werden müssen.
6
Für denselben Zeitraum erstellte der Erstbeurteiler daraufhin am 10. Juni 2022 erneut seinen Anteil, der Zweitbeurteiler, der Amtschef ... Generalmajor B seinen Anteil unter dem 29. September 2022. Die Beurteilung beschreibt die vom Antragsteller wahrgenommenen wesentlichen Aufgaben wie folgt:
"Pressestabsoffizier/Branch Head PAO & Media Simulation des ... - Führen und Leiten der Public Affairs Office/Media Simulation Branch - Sprecher und Berater "Strategische Kommunikation" des Kommandeurs - Sprecher und Vertreter des ... in der Öffentlichkeit - Leiten, Organisieren und Durchführen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit".
7 Im Beurteilungsformular ist angegeben, dass der Antragsteller dem Erstbeurteiler seit dem 18. Mai 2020 unterstellt war. Weiter heißt es, Beurteilungsbeiträge lägen nicht vor. Als Grund dafür wird auf eine Erkrankung des Vorgängers (wohl des Erstbeurteilers) im Amt verwiesen.
8 Der Erstbeurteiler bewertete den Antragsteller als für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung besonders gut geeignet, für Führungsverwendungen sehr gut geeignet sowie für Stabs-, Lehr- und Ausbildungsverwendungen gut geeignet. Er sah die Fachkompetenz besonders stark ausgeprägt, die Führungs- und Managementkompetenz stark ausgeprägt, die Selbst- und die Sozialkompetenz ausgeprägt und die Methodenkompetenz gering ausgeprägt. In der Leistungsbeurteilung wurde das Informations- und Kommunikationsverhalten mit "übertrifft die Leistungserwartungen überwiegend" bewertet, während elf Einzelmerkmale - darunter das Führungsverhalten, die Motivation und Förderung von Mitarbeitern sowie die Dienstaufsicht und Kontrolle von Arbeitsergebnissen - mit "erfüllt die Leistungserwartungen und übertrifft sie stellenweise" beurteilt wurden. Zwei weitere Einzelmerkmale wurden als Normalleistung gewertet.
9
Die zusammenfassende Bewertung führt aus:
"Leistungsstarker PresseStOffz, der die doppelte Belastung als Leiter der Media Simulation Branch innerhalb der Übungsvorbereitung und -durchführung von NATO-Großübungen und andererseits als PresseStOffz eines fordernden - im Beurteilungszeitraum: deutschen - Kommandeurs für die externe Kommunikation des ... hervorragend gemeistert hat. Seine positive Rolle bei der Kommunikation mit Familien und Angehörigen ist besonders hervorzuheben."
10 Mit der ihm im Entwurf am 20. April 2022 ausgehändigten, am 25. April 2022 erörterten und in der Schlussfassung am 13. Juni 2022 eröffneten Erstbeurteilung erklärte sich der Antragsteller nicht einverstanden.
11 Der Zweitbeurteiler bestätigte die Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbeurteilung des Erstbeurteilers und vergab das Gesamturteil "D-".
12
Zur Begründung heißt es:
"Oberstleutnant C hat zum guten Gelingen vieler verschiedener Aufträge beitragen können. Für Einsätze ist er uneingeschränkt geeignet. Im Rahmen der vergleichenden Betrachtung seiner sehr starken Vergleichsgruppe und unter Wahrung des Maßstabes vergebe ich das Gesamturteil "D" "-"."
13 Auch mit dieser - ihm am 13. September 2022 im Entwurf ausgehändigten, mit ihm am 14. September 2022 erörterten und am 29. September 2022 in der Schlussfassung eröffneten - Zweitbeurteilung erklärte sich der Antragsteller nicht einverstanden.
14 1. Am 15. Juni 2022 beschwerte sich der Antragsteller gegen die zweite Fassung der Erstbeurteilung. Wertungen und Text seien widersprüchlich. Er nehme zwei vollwertige Dienstposten und damit A 15-wertige Aufgaben mit Leitungsfunktion wahr. Haupt- und Wahrnehmungsdienstposten seien falsch zugeordnet und damit fehlerhaft eingeschätzt und gewichtet worden. Der Beurteilungsbeitrag des internationalen Vorgesetzten entspreche einer besseren Bewertung im quotierten Bereich. Um die schlechtere Zweitbeurteilung zu rechtfertigen, habe der Zweitbeurteiler im Rahmen der Abstimmungsgespräche in die Verantwortung des Erstbeurteilers eingegriffen. Einzelbewertungen und Gesamturteil seien widersprüchlich und der Einhaltung der Bewertungskorridore geschuldet. Zudem genüge das neue Beurteilungsverfahren nicht den Anforderungen der Rechtsprechung und führe auch deshalb nicht zu rechtmäßigen Beurteilungen.
15 Der Amtschef ... wies die Beschwerde mit Bescheid vom 28. Juli 2022 zurück. Der Schwerpunkt der Aufgaben des Antragstellers liege in der Funktion als "Public Affairs Advisor" des Kommandeurs ... und nicht in der Führung der Media-Teams als Branch Head. Auf einen entsprechenden Hinweis des Antragstellers selbst sei für die Schwerpunkttätigkeit ein internationaler Beurteilungsbeitrag eingeholt worden. Dies habe Auswirkungen auf die Vergleichsgruppe. Der Antragsteller sei deshalb in eine A 13/A 14 Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion eingeordnet worden, die 110 weltweite dislozierte Soldaten mit 25 verschiedenen Erstbeurteilern erfasse. Die Textanteile der Erstbeurteilung bezögen sich auf die Tätigkeit als Pressestabsoffizier und berücksichtigten den internationalen Beurteilungsbeitrag. Der Text stehe nicht in Widerspruch zu den Bewertungen. Der Dienstposten sei mit A 13/A 14 dotiert. Die Abstimmungsgespräche zwischen Erst- und Zweitbeurteiler entsprächen den Vorgaben. Der Erstbeurteiler sei nicht an die Bewertungen des Beurteilungsbeitrages gebunden, müsse diesen nur berücksichtigen. Er müsse auch nicht als Bezug angeführt werden, da er nicht vernichtet, sondern der Personalakte zugeführt werde. Zu den Bedenken gegen das Beurteilungssystem insgesamt werde darauf hingewiesen, dass die Wehrbeschwerde keine allgemeine Normenkontrolle vorsehe.
16 Am 4. August 2022 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde. Der Beschwerdebescheid verkenne die Argumentation der Beschwerde, auf die Bezug genommen werde. Der Beschwerdebescheid enthalte im Hinblick auf seinen Dienstposten falsche Angaben und sei bereits deshalb rechtswidrig. Nach der NATO Job Description sei er einer falschen Vergleichsgruppe zugeordnet worden. Dies wirke sich auch auf die Erstbeurteilung aus.
17 Die weitere Beschwerde wies der Inspekteur der ... unter dem 30. Januar 2023 zurück. Widersprüche oder Unklarheiten enthalte die Erstbeurteilung nicht. Der Antragsteller sei mit Recht einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion zugeordnet worden, weil der Schwerpunkt seiner Aufgaben im Bereich des Wahrnehmungsdienstpostens liege und dieser keine Leitungsfunktion habe. Dies sei durch die zuständigen Vorgesetzten in Abstimmung mit internationalen Vorgesetzten ermessensfehlerfrei entschieden worden.
18 Hiergegen stellte der Antragsteller unter dem 24. Februar 2023 Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts, den er am 2. Oktober 2024 zurücknahm.
19 2. Am 23. September 2022 beschwerte sich der Antragsteller "gegen den Anteil des Zweitbeurteilers zu meiner dienstlichen Regelbeurteilung zum Stichtag 31.07.2021". Diese Beschwerde ließ er unter dem 23. November 2022 begründen und rügte Verstöße gegen Nr. 401, Nr. 402 und Nr. 403 AR A-1340/50. Die Begründung des Gesamturteils beziehe sich nicht auf beurteilungsrelevante Kriterien und enthalte Äußerungen über Dritte. Die Vergleichsgruppe sei falsch erstellt, weil sie sich auf den Wahrnehmungsdienstposten des Pressestabsoffiziers beziehe. Der originäre Dienstposten des Antragstellers erfordere eine andere Vergleichsgruppe. Dies sei bereits gegen die Erstbeurteilung eingewandt worden. Der Fehler schlage auf die Zweitbeurteilung durch.
20 Mit Bescheid vom 1. Februar 2023 wies der Inspekteur der ... die Beschwerde zurück. Sie verstoße nicht gegen Beurteilungsgrundsätze. Die Bezugnahme auf die Stärke der Vergleichsgruppe und die Wahrung des Maßstabes in der Begründung des Gesamturteils beziehe sich nicht auf eine oder mehrere konkrete Personen und enthalte daher keine Äußerung über Dritte im Sinne der Nr. 403 AR A-1340/50. Die Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion sei nicht zu beanstanden, da die tatsächliche Tätigkeit im Schwerpunkt ohne Leitungsfunktion ausgeübt werde.
21 Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 24. Februar 2023 weitere Beschwerde und trug ergänzend zum Beschwerdevorbringen vor, der Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung ergebe sich für den Erstbeurteiler aus dessen persönlicher Wahrnehmung. Der Antragsteller stehe in einer Doppelfunktion. Aus eigener Wahrnehmung kenne der Erstbeurteiler nur seine Tätigkeit als "Public Affairs Advisor", nicht aber die als Branch Head. Die Wertigkeit der Dienstposten lege einen Schwerpunkt im letzteren Bereich nahe, der Leitungsfunktion habe. Hierfür spreche auch der Umstand, dass eine Aufwertung der Branch Head Dienstposten auf eine A 15-Wertigkeit jedenfalls für die aktuellen Dienstposteninhaber nach 2015 beschlossen wurde.
22 Die weitere Beschwerde wies der Generalinspekteur der Bundeswehr mit dem Antragsteller am 3. April 2024 ausgehändigtem Bescheid vom 15. März 2024 zurück. Die Zuordnung zu der Vergleichsgruppe der Dotierungshöhe A 13/A 14 ohne Leitungsfunktion sei nicht zu beanstanden. Sie folge der Bewertung der tatsächlichen täglichen Aufgabenwahrnehmung durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten und Erstbeurteiler. Weder dessen Bewertung noch die hierauf basierende Zuordnung durch den Zweitbeurteiler seien fehlerhaft. Der Antragsteller werde originär auf dem Dienstposten des Branch Head PAO und Media Simulation mit Leitungsfunktion verwendet, zu dem ergänzend die Aufgaben des Wahrnehmungsdienstpostens des "Public Affairs Advisor" ohne Leitungsfunktion gehörten. Für die Zuordnung zur Vergleichsgruppe sei nicht die formale Zuordnung eines Dienstpostens oder dessen mögliche höhere Wertigkeit ausschlaggebend. Entscheidend sei vielmehr der Aufgabenschwerpunkt. So werde gewährleistet, dass der Antragsteller mit Personen verglichen werde, die vergleichbare Aufgaben wahrnähmen. Dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Antragstellers beim Wahrnehmungsdienstposten liege, ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass der Erstbeurteiler nur diesen aus eigener Wahrnehmung kenne. Vielmehr sähen auch internationale Vorgesetzte dort den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Deswegen sei hierüber ein internationaler Beurteilungsbeitrag eingeholt worden. Diesem Vorgehen habe der Antragsteller nicht widersprochen. Daher sehe auch er dort seinen Schwerpunkt. Der Anteil Zweitbeurteiler enthalte auch keine Äußerung über eine oder mehrere konkrete Personen.
23 3. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 26. April 2024 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 3. Juni 2024 dem Senat vorgelegt.
24 Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen Vortrag aus den Beschwerdeverfahren. Die Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion sei fehlerhaft. Hierfür dürfe nicht der Wahrnehmungsdienstposten maßgeblich sein. Er habe auf seinem originären Dienstposten durchgängig Personal geführt. Dies sei nicht in untergeordnetem Umfange oder nur nebenbei erfolgt, vielmehr prägend für seine Tätigkeit. Unzutreffend sei, dass er der Vergleichsgruppenzuordnung zugestimmt habe. Seine Aussagen stünden in einem anderen Kontext. Es sei um die Erstellung eines möglichst umfassenden Beurteilungsbeitrages gegangen, nicht um die Deklaration des Wahrnehmungsdienstpostens zum Hauptdienstposten als Grundlage für die Vergleichsgruppenzuordnung. Die Erstellung eines Beurteilungsbeitrages für den Wahrnehmungsdienstposten indiziere, dass für die Vergleichsgruppe der andere Dienstposten maßgeblich sei. Die Wahrnehmung der Leitungsfunktion unterscheide den Antragsteller wesentlich von den anderen, daher zu ihm gerade nicht homogen bestimmten, Vergleichsgruppenmitgliedern. Er habe diese Funktion nicht nur vertretungsweise, sondern als Teil seiner originären Aufgaben und durchgängig wahrgenommen. Dies werde nur über die entsprechenden Leistungsmerkmale nicht ausreichend abgebildet. Der Antragsteller sei 2023 erneut in dieser fehlerhaften Vergleichsgruppe beurteilt worden.
25
Der Antragsteller beantragt,
die für den Antragsteller zum Stichtag 31. Juli 2021 erstellte Regelbeurteilung und die Beschwerdebescheide des Inspekteurs ... vom 1. Februar 2023 und des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 15. März 2024 aufzuheben,
die Regelbeurteilung zum Stichtag 31. Juli 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erstellen.
26 Der Generalinspekteur der Bundeswehr verteidigt die Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion. Dies entspreche der Anlage 15.1 der AR A-1340/50. Der Antragsteller nehme die Aufgaben zweier Dienstposten wahr. Maßgebliches Kriterium für die Vergleichsgruppenzuordnung sei in dieser Konstellation der Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung. Die Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe mit oder ohne Leitungsfunktion obliege dem Vorgesetzten vor Ort, die Festlegung dem Zweitbeurteiler. Zwar habe der Antragsteller Aufgaben mit Leitungsfunktion wahrgenommen, diese bildeten aber nach der Wahrnehmung des Erstbeurteilers nicht den Tätigkeitsschwerpunkt. Der Antragsteller sei damit einverstanden gewesen, einen internationalen Beurteilungsbeitrag für den Wahrnehmungsdienstposten einzuholen, was der Erstbeurteiler wegen des dortigen Tätigkeitsschwerpunktes vorgeschlagen hatte.
27 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
28 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
29 1. Der Antrag ist zulässig.
30 Insbesondere hat der Antragsteller mit Recht die Regelbeurteilung insgesamt und nicht lediglich den Anteil des Zweitbeurteilers zum Gegenstand seines Antrages gemacht. Denn im Rahmen des seit dem 31. Juli 2021 geltenden Beurteilungssystems stellt allein die dienstliche Beurteilung und nicht deren von dem Erst- und dem Zweitbeurteiler gefertigten Anteile die mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 32). Gegenstand dieses Rechtsstreites sind auch die den Anteil des Erstbeurteilers betreffenden Beschwerdebescheide, da auch diese einen Teil des nach der Rücknahme des Antrages auf gerichtliche Entscheidung des Truppendienstgerichtes allein beim Senat anhängigen Streitgegenstandes betreffen.
31 Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Zwar sind Aussagen und Wertungen in Beurteilungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. auch Nr. 1201 Satz 1 AR A-1340/50). Sie sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Mai 2009 - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 27 m. w. N. und vom 19. Juli 2018 - 1 WB 31.17 - NVwZ-RR 2019, 54 Rn. 23). Dies macht der Antragsteller geltend, indem er Verstöße gegen Beurteilungsgrundsätze, insbesondere zur Widerspruchsfreiheit der Beurteilung (Nr. 401 AR A-1340/50) und zur Bildung von Vergleichsgruppen (Nr. 905 ff. AR A-1340/50 und Anlage 15.1) rügt.
32 2. Der Antrag ist auch begründet. Die Regelbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Juli 2021 und die Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom 28. Juli 2022, des Inspekteurs ... vom 30. Januar 2023, des Inspekteurs ... vom 1. Februar 2023 sowie des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 15. März 2024 sind rechtswidrig. Sie sind daher aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WBO). Das Bundesministerium der Verteidigung ist verpflichtet, auf eine neue Beurteilung des Antragstellers zum genannten Stichtag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinzuwirken (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
33 a) Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass es den hier maßgeblichen untergesetzlichen Beurteilungsvorschriften ebenso wie ihren Vorgängerbestimmungen zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage fehlte. Denn die am Beurteilungsstichtag 31. Juli 2021 geltenden Vorschriften der §§ 2, 3 SLV und die hierzu ergangenen Allgemeinen Regelungen A-1340/50 "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten" konnten auch vor Inkrafttreten von § 27a SG in der Fassung vom 20. Dezember 2023 für eine Übergangszeit weiter angewandt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 44 ff m. w. N.).
34 b) Die hier streitgegenständliche Regelbeurteilung sowie die dazu ergangenen Beschwerdebescheide sind aber auch bei Geltung der AR A-1340/50 rechtswidrig.
35 aa) Dienstliche Beurteilungen sind gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, weil den Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leistung ein Beurteilungsspielraum zusteht (stRspr, vgl. – auch zum Folgenden - BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 WB 43.12 - juris Rn. 38, vom 21. März 2019 - 1 WB 6.18 - juris Rn. 28 und vom 26. November 2020 - 1 WRB 2.19 - juris Rn. 24 m. w. N.). Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an denen sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert, kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang stehen (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 30 m. w. N.).
36 Rechtlich nicht zu beanstanden ist das System der Berücksichtigung von Richtwertvorgaben nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 und 3 SLV und die hierfür erforderliche Bildung von Vergleichsgruppen (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 50 ff m. w. N.).
37 Die für den einzelnen Beurteiler maßgebliche Vergleichsgruppe muss so hinreichend homogen sein, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Soldaten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden. § 3 Abs. 2 Satz 1 SLV bezeichnet als hinreichend homogen neben der Gruppe der Soldaten desselben Dienstgrades und derselben Besoldungsgruppe auch die Gruppe der Soldaten derselben Funktionsebene. Bei der auf diese Weise gebildeten Vergleichsgruppe ist das Kriterium für die Gruppenzugehörigkeit die Innehabung eines Dienstpostens mit weitgehend denselben Anforderungen; die Ähnlichkeit der verrichteten Aufgaben ist der tragende Grund für die Vergleichbarkeit. Bei der Vergleichsgruppenbildung nach Funktionsebenen werden die Leistungsanforderungen nicht aus dem Statusamt hergeleitet, sondern daran orientiert, welche Anforderungen die durch die Wahrnehmung der im Wesentlichen gleichen Aufgaben gekennzeichneten Dienstposten übereinstimmend stellen (BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 1 WB 51.10 - BVerwGE 141, 113 Rn. 40). Nach Nr. 1 der Anlage 15.1 ("Übersicht Vergleichsgruppen gemäß § 3 Absatz 2 SLV") zur AR A-1340/50 dürfen Soldatinnen und Soldaten mit Leitungsfunktion grundsätzlich nicht mit Soldatinnen und Soldaten der Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion verglichen werden (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 75). Dabei kann die Bewertung und Festlegung der Vergleichsgruppe nach Funktionsebene sachgerecht nur durch die verantwortlichen Vorgesetzten vor Ort vorgenommen werden und soll durch den Zweitbeurteilenden grundsätzlich vor Beginn eines Beurteilungszeitraums festgelegt werden.
38 bb) Hiernach war zwar nicht zu beanstanden, dass die Vergleichsgruppenbildung durch den Amtschef ... grundsätzlich nach Maßgabe der Einschätzung des nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers erfolgte. Diese haben bei der Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe aber den rechtlichen Rahmen der ihnen übertragenen Ermessensentscheidung verkannt. Denn sie haben der Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion eine Schwerpunktbetrachtung zugrunde gelegt, die dem Grundsatz der homogenen Zusammensetzung der Vergleichsgruppe widerspricht und zu einer inneren Widersprüchlichkeit der Beurteilung entgegen Nr. 401 Satz 1 AR A-1340/50 führt.
39 Zwar liegt der zu beanstandenden Betrachtung in tatsächlicher Hinsicht zutreffend zugrunde, dass der Antragsteller im Beurteilungszeitraum die Aufgaben zweier Dienstposten - seines originären und eines Wahrnehmungsdienstpostens - wahrnahm. Die tatsächliche Feststellung, dass der Schwerpunkt der Aufgaben im Bereich des - nicht mit Leitungsfunktionen versehenen - Wahrnehmungsdienstposten lag, wird vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen und ist auch sonst nicht zu beanstanden.
40 Allerdings folgt bereits aus der Leistungsbewertung im Anteil Erstbeurteiler, dass der Antragsteller im Beurteilungszeitraum Leitungsfunktionen in einem beurteilungsrelevanten Umfang ausgeübt hat. Denn die Punkte 1.13 bis 1.15 - und damit das Führungsverhalten, die Motivation und Förderung von Mitarbeitern sowie die Dienstaufsicht und Kontrolle von Arbeitsergebnissen - sind jeweils bewertet worden.
41 Für die Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene im Sinne des § 3 Abs. 2 SLV kommt es nach dem Wortlaut der Norm nur darauf an, dass die Soldatin oder der Soldat die Funktionsebene erreicht hat. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift kann auch das Erfordernis hergeleitet werden, dass die Funktion in einem beurteilungsrelevanten Zeitraum ausgeübt worden ist. Hingegen gibt die Norm nichts für die vom Bundesministerium der Verteidigung befürwortete Einschränkung her, dass die Funktionsausübung den Schwerpunkt der Tätigkeit gebildet haben oder bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer Dienstposten den überwiegend wahrgenommenen Dienstposten betreffen muss. Entscheidend ist allein, dass der Soldat in beurteilungsrelevantem Umfang solche Tätigkeiten ausgeübt hat. Werden Führungstätigkeiten in den Punkten 1.13 bis 1.15 der Leistungsbeurteilung bewertet, dann fließen sie zwangsläufig in die Bildung des Gesamturteils ein. Ein für die Einhaltung einheitlicher Maßstäbe wesentlicher Vergleich mit den Leistungen anderer Soldaten setzt voraus, dass der zu Beurteilende mit Soldaten verglichen wird, in deren Gesamturteil ebenfalls Leistungen in Führungstätigkeiten einfließen. Die Bildung von Vergleichsgruppen differenziert nur danach, ob überhaupt Leitungsfunktionen ausgeübt werden oder nicht. Eine weitere Ausdifferenzierung nach dem Ausmaß dieser Funktionen im Vergleich mit Sachbearbeitertätigkeiten ist nicht vorgesehen. Vor diesem Hintergrund wäre es systemwidrig, bei einzelnen Soldaten, die in das Gesamturteil Leistungen in Führungstätigkeiten einbringen, hier aber keinen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit haben, die Einhaltung des gleichen Maßstabes an einem Vergleich mit Soldaten zu prüfen, die in das Gesamturteil gar keine Leistungen in Führungstätigkeiten einbringen. Eine so gebildete Vergleichsgruppe wäre nicht hinreichend homogen. Die in die Gesamtbeurteilung einfließenden Teilleistungen und die für die Bildung der Vergleichsgruppe relevanten Aufgaben müssen korrelieren. Ein unter Einbeziehung von Führungstätigkeit gebildetes Gesamturteil ist leistungsgerecht und chancengleich vergleichbar nur mit den Leistungen einer Gruppe von anderen Soldaten, die ebenfalls solche Führungstätigkeit in beurteilungsrelevantem Umfange wahrnehmen.
42 Der Umstand, dass ein Soldat zusätzlich die Aufgaben eines Wahrnehmungsdienstpostens erfüllt, darf nicht zu einer Schlechterstellung im Vergleich mit Soldaten, die nur einen Dienstposten wahrnehmen, auf dem neben der Sachbearbeitertätigkeit - sei es auch in geringerem Umfange - beurteilungsrelevante Führungsaufgaben wahrgenommen werden. Werden Führungstätigkeiten in den Punkten 1.13 bis 1.15 der Leistungsbeurteilung bewertet und fließt daher auch dies in die Bildung des Gesamturteils ein, dann kann dies bei der Homogenität der für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Maßstabsbetrachtung entscheidende Vergleichsgruppe auch dann nicht außen vor bleiben, wenn der zu Beurteilende auch einen weiteren Dienstposten innehat, auf dem er keine Führungsaufgaben wahrnimmt. Bei der Beurteilung eines Soldaten über einen konkret bestimmten Beurteilungszeitraum müssen alle in dem Zeitraum erbrachten Tätigkeiten einfließen. Nimmt ein Soldat mehrere Dienstposten wahr, sind der Einschätzung seiner Leistung die auf allen Dienstposten erbrachten Tätigkeiten zugrunde zu legen. Außer Betracht bleiben können nur kurzzeitige Tätigkeiten von geringem Umfang, der so gering ist, dass ein Eindruck über die Leistungsfähigkeit des Soldaten nicht darauf zu stützen ist.
43 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.